Am 25. September 2024 verlegte der Kölner Künstler Gunter Demnig zum neunten Mal Stolpersteine in Schwerin. Die 10 mal 10 Zentimeter großen Messingplatten erinnern an Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Sie werden jeweils vor dem letzten selbst gewählten Wohnort in den Gehweg eingelassen.
Die Inschrift beginnt jeweils mit den Worten „Hier wohnte…“
Verlegt wurden die Stolpersteine
- in der Heinrich-Mann-Str. 6 – für Emma Tiesel
- am Demmlerplatz 8 – für Otto, Elly, Renate und Eddy Peter Löwenthal
- in der Mozartstraße 24 – für Julius und Elfriede Stein
- in der Friedrichstraße 3 – für Käthe und Martha Ladewig
- in der Buschstraße 16 – für Leo und Jette Heidenstein
- in der Puschkinstraße 51/53 – für Heinrich Marcus
Um 17 Uhr folgte eine öffentliche Gedenkstunde am Südufer des Pfaffenteichs, die an die Schicksale der Menschen erinnert, denen die 12 neuen Stolpersteine gewidmet sind.
Das größte dezentrale Mahnmal der Welt
Stolpersteine liegen heute in 32 Ländern Europas. Mit mehr als 100.000 Stolpersteinen ist das Projekt das größte dezentrale Mahnmal der Welt. Die Stolperstein-Initiative Schwerin sorgt seit 2006 mit der Verlegung der Plaketten dafür, dass die Opfer des Nazi-Terrors in der Landeshauptstadt nicht vergessen werden.
Erstmals ist ein Stolperstein einer Zeugin Jehovas gewidmet: Emma Tiesel wurde 1937 inhaftiert und vor ein Sondergericht gestellt, weil sie ihren Glauben aktiv ausübte und andere Gläubige zu Bibelstunden in ihrer Wohnung empfing. Zeugen Jehovas verweigerten den Nationalsozialisten von Anfang an jede Gefolgschaft und hatten später auch in der DDR große Probleme mit der Staatsmacht.
Fünf Stolpersteine sind Juden gewidmet, die vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in andere europäische Länder fliehen konnten: Julius und Elfriede Stein, Leo und Jette Heidenstein und Heinrich Markus schafften es bis nach Holland, Luxemburg oder Polen, wurden dort aber von der vorrückenden deutschen Wehrmacht eingeholt und fanden 1942 den Tod.
Zwei Stolpersteine erinnern an zwei unverheiratete ältere Damen, die Schwestern Käthe und Martha Ladewig, die 1936 von Schwerin nach Berlin verzogen und sich dort 1941 das Leben nahmen.
Bewegend ist auch das Schicksal der Eheleute Otto und Elly Löwenthal und ihrer beiden Kinder: Die traditionsreiche Getreidehandelsfirma Löwenthal, Nord & Co. gehörte mit ihren Speichergebäuden in der heutigen Severinstraße 22 in Schwerin, fünf Filialen in Mecklenburg und Schleswig-Holstein und über 100 Beschäftigen zu den größten Betrieben dieser Art im Land. Nach der Machtergreifung intervenierte der einzige nichtjüdische Teilhaber Paul Ohlerich, um die Arisierung zu erreichen. Löwenthal wurde aus der Geschäftsführung verdrängt und erhielt den Status eines Kommanditisten. 1938 unternahm Ohlerich einen weiteren Vorstoß, um sich seiner missliebigen jüdischen Kommanditisten endgültig zu entledigen. Er schlug eine einmalige Abfindung vor, die einem blanken Raub gleichkam. Um seine Auswanderung nicht zu gefährden, stimmte Otto Löwenthal notgedrungen zu. Doch auch diese Abfindung wurde nie ausgezahlt. Der mecklenburgische Gauleiter Hildebrandt intervenierte persönlich und erließ Ohlerich die Zahlung, verpflichtete ihn aber dafür einen „Arisierungsgewinn“ von 189 000 RM an das Reich abzuliefern.
Gegen das Kartell der Diebe hatte Otto Löwenthal keine Chance. In einer Beschwerde an das Wirtschaftsministerium führte er an, dass sein Vater 1915 wegen seiner Verdienste für die Volksernährung vom Großherzog zum Kommerzienrat ernannt worden war, und er selbst als Soldat an der Front und nach dem Krieg im Heimatschutz gedient hatte. Das Wirtschaftsministerium zeigte sich unbeeindruckt und lehnte die Beschwerde im Januar 1941 ab. Das Verfahren hatte sich so lange hingezogen, dass es für eine Auswanderung nun mitten im Krieg endgültig zu spät war. Am 12. Januar 1943 wurden Otto Löwenthal mit seiner Frau Elli und den 4 und 11 Jahre alten Kindern nach Auschwitz deportiert und dort ermordet
Seit 2006 94 Stolpersteine in Schwerin verlegt
94 Stolpersteine sind seit 2006 in der Landeshauptstadt verlegt worden – finanziert aus Spenden von Bürgerinnen und Bürgern. Die Landeshauptstadt unterstützt die Arbeit der Stolperstein-Initiative seit Anbeginn. Stadtarchivar Bernd Kasten betreibt beispielsweise die Nachforschungen, die nötig sind, um die Einzelschicksale zu dokumentieren.
Ein „Stolperstein“ kostet 120 Euro. Wer spenden möchte, gibt im Verwendungszweck bitte seine Adresse an, wenn er eine Spendenbescheinigung erhalten möchte:
Spendenkonto
Betreff: Stolpersteine
Kreditinstitut: VR Bank Mecklenburg eG
Kontoinhaber: KISS e.V.
IBAN: DE23 1406 1308 0200 0273 32